NEU (AZ & SON)
Zulässigkeit
Die DSGVO gestattet den Einsatz von Videoüberwachungen im privaten Bereich innerhalb bestimmter Grenzen. Die Rechtmäßigkeit ist dabei in jedem Einzelfall anhand folgender Faktoren zu prüfen:
- Berechtigtes Interesse oder Einwilligung der Betroffenen
Ein berechtigtes Interesse ist anhand des Zweckes der Datenverarbeitung zu beurteilen und ergibt sich in Bezug auf Videoüberwachung bspw. aus dem - Schutz des Lebens von Personen
- Schutz der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit von Personen
- Schutz des Eigentums (z.B. Eigenheim, Lagerräumlichkeiten eines Betriebes)
- Zeitliche und örtliche Beschränkung
Die Videoüberwachung erfolgt zeitlich und örtlich nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß. Ein Einbeziehen öffentlicher Verkehrsflächen (bspw. Gehsteig oder Straße) ist nur dann zulässig, wenn der Schutzzweck der Videoüberwachung sonst nicht erfüllt werden könnte (z.B. Überwachung einer an einen Gehsteig angrenzenden Fassade zum Schutz vor Sachbeschädigung im Ausmaß von maximal 50 Zentimeter). Nachbargrundstücke dürfen ohne Einwilligung jedenfalls nicht gefilmt werden.
Beim Einsatz von Kameras innerhalb betrieblicher Räumlichkeiten muss geprüft werden, ob der Zweck einer Videoüberwachung durch Aktivierung der Kameras außerhalb der Betriebs-/Öffnungszeiten, d. h., wenn sich keine Mitarbeiter:innen (mehr) im Aufnahmebereich befinden, ebenso erfüllt werden könnte.
Wenn die Kameras auch innerhalb der Betriebs-/Öffnungszeiten aktiviert bleiben müssen, ist in Bezug auf die erfassten Räumlichkeiten zu prüfen, ob ein Aufnahmebereich gewählt werden kann, in welchem Mitarbeiter:innen nicht dauerhaft bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit erfasst werden.
Aufnahmebereiche innerhalb der Betriebsräumlichkeiten, die von Mitarbeiter:innen für eine Pause genutzt werden (Küchen- bzw. Pausenraum, Umkleideraum, Zugang zu den WC-Anlagen etc.) oder in welchen sie permanent bei der Verrichtung ihrer Tätigkeiten erfasst werden, stellen einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht der betroffenen Mitarbeiter:innen dar, da erhebliche Interessen der Betroffenen den allenfalls berechtigten Interessen des:der Verantwortlichen gegenüberstehen. Die Wahl dieser Aufnahmebereiche ist im Regelfall unzulässig, wenn die Kameras während der Arbeitszeiten aktiviert sind.
Praxistipp
Viele Kameras bieten mittlerweile die technische Möglichkeit, bestimmte Aufnahmebereiche digital zu schwärzen bzw. zu verpixeln (z.B. Datenschutzmodus, Schwärzungen). Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, mit einer physischen Blende den Aufnahmebereich einzuschränken oder innerhalb der Einstellungen die Betriebszeiten der Kamera näher zu definieren. - Geeignete Kennzeichnung
Die Videoüberwachung ist durch geeignete Kennzeichnung (z.B. Schilder, Aufkleber) klar ersichtlich zu machen.
Es ist jedenfalls nicht ausreichend, nur über den Umstand des Vorhandenseins der Videoüberwachung zu informieren.
Der Europäische Datenschutzausschuss hat Leitlinien zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen von Videoüberwachungen erlassen, an denen sich Verantwortliche orientieren können. Zur geeigneten Kennzeichnung siehe Seite 28 f, insb. Rz 115.
Leitlinien 3/2019 zur Verarbeitung personenbezogener Daten durch Videogeräte
Leitlinien 3/2019 »
Praxistipp
Das Hinweisschild sollte derart angebracht sein, dass dieses für die betroffene Person leicht erkennbar ist, bevor sie den überwachten Bereich betritt (bspw. in Augenhöhe). - Regelmäßige Löschung/Überspeicherung
Die Aufnahmen werden in regelmäßigen Abständen überschrieben/gelöscht. Als grundsätzlichen Richtwert für eine zulässige Speicherdauer können 72 Stunden herangezogen werden. Hierzu ist anzumerken, dass je länger die Speicherfrist festgelegt ist, desto höher ist der Argumentionsaufwand in Bezug auf die Rechtmäßigkeit des Zwecks und der Erforderlichkeit.
Praxistipp
Vor der Inbetriebnahme der Videokameraanlage muss der bzw. die Zweck/e von der:dem Verantwortlichen festgelegt werden. Hierbei sollte sich die Speicherfrist am erforderlichen Maß orientieren und derart bestimmt werden, dass diese für das Erreichen des Zweckes bzw. der Zwecke ausreicht. - Auswertung nur im Einzelfall
Eine Auswertung der Aufnahmen erfolgt nur im Anlassfall (z.B. um festzustellen, wer eine Beschädigung bzw. einen Diebstahl verübt hat).
Beim Einsatz von Kameras innerhalb betrieblicher Räumlichkeiten ist zu beachten, dass intern ein Berechtigungssystem festgelegt werden muss, welche Personen befugt sind und einen Zugang benötigen, um auf die Aufzeichnungen zuzugreifen.
Die personenbezogenen (Bild-)Daten dürfen nur für vorab festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden.
In diesem Zusammenhang gilt für die Überwachung betrieblicher Räumlichkeiten zu beachten, dass der Gesetzgeber eine Bildaufnahme zum Zweck der Kontrolle von Arbeitnehmer:innen als absolut unzulässig normiert hat (§ 12 Abs. 4 Z 2 DSG). - Keine gelinderen Mittel
Andere, gelindere Mittel würden sich als unzureichend erweisen (z.B. Sperrsysteme, Sicherungssysteme, Bewegungsmelder, Einsatz von Wachpersonal). - Echtzeitaufnahmen
Beachten Sie, dass eine Echtzeitaufnahme (sogenannte „Live-Aufnahme“) ohne Speicherung der Aufzeichnungen zwar ein gelinderes Mittel darstellt als eine Videoüberwachung mit Speicherung der Aufzeichnungen, jedoch erfolgt auch bei einer Echtzeitaufnahme eine Verarbeitung personenbezogener (Bild-)Daten. Somit müssen die hier genannten Anforderungen auch im Falle einer Echtzeitaufnahme (ohne Speicherung) berücksichtigt werden. - Spezialfall für Unternehmen: Zustimmung der Mitarbeiter:innen
Falls für den Einsatz von Kameras innerhalb von betrieblichen Räumlichkeiten eine allfällige Zustimmung der Mitarbeiter:innen eingeholt wird, ist dabei aus datenschutzrechtlicher Sicht Folgendes zu beachten:
Die Verarbeitung auf Grundlage einer Einwilligung der betroffenen Personen stellt zwar eine Möglichkeit dar, ist im Ergebnis jedoch nicht geeignet.
Einerseits wird im Regelfall nur die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter:innen eingeholt, es begeben sich aber noch weitere Personen in den Aufnahmebereich (z.B. Kund:innen; Lieferant:innen, externe Dienstleister), bei denen keine Einwilligung eingeholt wurde.
Andererseits kann im Regelfall bei der Zustimmung bzw. Einwilligung der Mitarbeiter:innen nicht davon ausgegangen werden, dass diese freiwillig gegenüber dem:der Arbeitgeber:in - aufgrund des Ungleichgewichts und der Abhängigkeit - erteilt wurde. Die Freiwilligkeit einer Einwilligung stellt jedoch eine zentrale Voraussetzung für deren Zulässigkeit dar.
Außerdem muss die Einwilligung gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO jederzeit widerrufbar sein. Dies führt im Fall von Videoüberwachungsanlagen innerhalb von betrieblichen Räumlichkeiten regelmäßig zum Problem, dass gar keine Alternative vorliegt, wenn ein:e einzelne:r Mitarbeiter:in das Recht auf Widerruf ausübt.
Gemessen daran wird die Einwilligung der Mitarbeiter:innen aus datenschutzrechtlicher Sicht im Regelfall nicht geeignet sein, um die Datenverarbeitung zu rechtfertigen.
Eine Meldepflicht einer Videoüberwachungsanlage bei der Datenschutzbehörde besteht seit 25. Mai 2018 nicht mehr.
Mit dem Inkrafttreten der DSGVO am 25. Mai 2018 ist das Datenverarbeitungsregister, in welches alle meldepflichtigen Datenanwendungen einzutragen bzw. der Datenschutzbehörde zu melden gewesen sind, weggefallen. Dies bedeutet, dass von der Datenschutzbehörde keine Vorabgenehmigung für die Inbetriebnahme einer Videoüberwachungsanlage erteilt wird.
Die Beurteilung, ob die Videoüberwachung im Einzelfall als zulässig angesehen werden kann, obliegt der:dem Betreiber:in selbst. Diese Prüfung muss von der:dem Beteiber:in vor der Inbetriebnahme der Anlage erfolgen. Gleiches gilt für die Frage, ob in einem konkreten Fall eine Datenschutz-Folgenabschätzung im Sinne des Art. 35 DSGVO durchzuführen ist oder nicht (nähere Informationen zur Datenschutz-Folgenabschätzung finden Sie im entsprechenden Punkt unter „Ihre Pflichten als Verantwortlicher“). Die Datenschutzbehörde nimmt jedenfalls keine diesbezüglichen Vorabbeurteilungen vor.
Ihre Pflichten als Verantwortlicher »
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Was kann ich gegen eine unzulässige Videoüberwachung unternehmen?
Sollte die Zulässigkeit einer Videoüberwachung entsprechend der genannten Voraussetzungen nicht gegeben sein, so ist eine Anregung zur Einleitung eines amtswegigen Prüfverfahrens bei der Datenschutzbehörde möglich. Wurde eine Person tatsächlich durch eine unrechtmäßige Kamera aufgezeichnet, so kann diese Beschwerde wegen Verletzung im Recht auf Geheimhaltung gemäß § 1 DSG bei der Datenschutzbehörde einbringen.
Näheres zum amtswegigen Prüfverfahren »
Näheres zum Beschwerdeverfahren »
Weitergabe & Veröffentlichung von Videoaufnahmen
Ist eine Videoüberwachung an sich zulässig, berechtigt dies noch nicht zur Weitergabe oder zum Veröffentlichen der Videoaufnahmen (z.B. im Internet).
Rechtsprechung
Urteil des Europäischen Geri